Thomas Geisler
Design für die wirkliche Welt
»Design for the Real World«, das 1970 erschienene und in 26 Sprachen übersetzte Werk des Design- und Konsumkritikers Viktor J. Papanek war für Thomas Geisler wegbereitend beeindruckend und ist langjährige Begleitlektüre.
Der Österreicher, Jahrgang 1971, wechselte als ausgebildeter Keramiker und Produktgestalter in das theoretische Fach. Seit Juli 2019 ist Thomas Geisler Direktor des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in Pillnitz.
Thomas Geisler hat sich mit dem Lebenswerk Viktor J. Papaneks intensiv auseinandergesetzt und es auch selbst kritisch hinterfragt. Dennoch imponierte ihn Papaneks Kritik an der eigenen Disziplin, dass es Berufe gäbe, die mehr Schaden anrichteten als der des Industriedesigners, aber viele seien es nicht. Das Buch zeigte schon damals Alternativen, die heute unter den Schlagwörtern »Social Design« oder »Open Design« firmieren. Thomas Geisler war maßgeblich an der Etablierung der Viktor J. Papanek Foundation an der Universität für angewandte Kunst in Wien beteiligt. Er hat an mehreren Universitäten Designtheorie und –geschichte unterrichtet, bevor er als Ausstellungskurator und Sammlungsleiter am Museum für angewandte Kunst in Wien arbeitete. Thomas Geisler war Mitbegründer der Vienna Design Week und hat Europas älteste Design-Biennale in Ljubljana geleitet.
Thomas Geisler stellt sich immer wieder die Frage nach dem woher und wohin des Designs. Sollen mehr Produkte entstehen oder Prozesse anders gestaltet werden? Die Entwicklung verläuft vom Produktdesign hin zur Prozessgestaltung. Designer besitzen aufgrund ihrer Ausbildung die Fähigkeit, Ideen und Zukunftsszenarien zu entwickeln und zu visualisieren. Sie können mittels Prototypen oder anderer gestalterischer Ausdrucksformen Entwicklungen darstellen, hinterfragen oder vorausplanen.
Design muss in all seinen Dimensionen und mit seinen regionalen Akzenten gerade auch in Sachsen eine wichtigere Rolle einnehmen.
Thomas Geisler ist neugierig in welche Richtung sich der Sächsische Staatspreis für Design entwickelt. Das Thema Nachhaltigkeit ist für ihn ein ganz selbstverständliches Kriterium bei den Einreichungen, gefüllt mit Inhalten und konkreten Anwendungen. Fragestellungen nach den Ressourcen rücken in den Vordergrund.
Ein stärkeres Bewusstsein in Richtung neuer Kreisläufe wünscht sich Thomas Geisler auch im Handwerk, das nicht per se ökologisch nachhaltiger ist. Im Gegenteil wird in manchen Bereichen (noch) viel mit Giftstoffen und ohne Bewusstsein für Mensch und Natur gearbeitet.
Viele Jahre arbeitete Thomas Geisler an der Schnittstelle von Design und Handwerk. Er leitete den Werkraum »Bregenzerwald« in Österreich, eine spannende Institution. Als Zusammenschluss von etwa 100 Handwerksbetrieben aus verschiedenen Branchen ist der »Bregenzerwald« ein robustes Netzwerk, das Handwerk mittels Design in die Zukunft tragen kann.
Aktuell beschäftigt Thomas Geisler die Herausforderung im musealen Umfeld. Er stellt sich wieder eine Frage. Welche Aufgabenstellung hat ein Kunstgewerbemuseum im 21. Jahrhundert? Ursprünglich war es ein Ort der gestalterischen Orientierung und zur Geschmacksbildung. Ein kunst- und kulturtheoretischer Diskurs entwickelte sich später mit der Trennung von den Gewerbeschulen. Thomas Geisler hat eine Vision für das jetzige Kunstgewerbemuseum im Schloss Pillnitz. Die Zukunft des Museums sieht er in einem Design-Campus, einem Lehr- und Forschungszentrum zu dem die kunstgewerblichen Sammlungen herangezogen werden. Dabei können alte handwerkliche Techniken und Materialien genauso beforscht, wie Fragen an die Zukunft gerichtet werden. Design für die wirkliche Welt soll in jedem Fall der Fokus sein.
Für Thomas Geisler hat Design auch immer eine politische Dimension. Design verändert sich. Für junge Designerinnen und Designer gilt heute eine ökologische Betrachtungsweise. Sie entwerfen bewusster, ökologisch und politisch. Aber es ist ihm auch äußerst wichtig, dass die jungen Menschen mehr auf ihr eigenes empirisches Wissen zurückgreifen, ihr Handwerk kennen und beherrschen, dem »common knowledge« nicht sofort vertrauen, das Eigene generieren.